Höflich ist der Ton, den Künstliche Intelligenz per Default, also als Grundeinstellung, meist anschlägt. Egal, wie wir unseren Prompt formulieren, KI-Bots bleiben freundlich, konstruktiv und respektvoll. Doch wie beeinflusst diese “künstliche” Höflichkeit unsere eigene Kommunikation? Während wir lernen, die KI mit den richtigen Prompts gezielt anzusprechen, verändert sich womöglich – nolens volens – auch unsere Dialogführung im menschlichen Miteinander.
Unsere neue Gesprächspartnerin: die KI
Damit geht’s ja schon mal los: Vielleicht fragen Sie sich bei Ihren ersten Gehversuchen mit einem System wie ChatGPT, ob dieses eigentlich ein Geschlecht hat – weiblich (die KI?), männlich (der Bot?) oder etwas ganz anderes? Diese kleine Frage zeigt schon, wie sehr wir die Dialog-KI als echten Gesprächspartner – oder ‑partnerin – wahrnehmen. Doch viel spannender ist: Verändert die Künstliche Intelligenz durch das Prompten eigentlich auch unsere eigene Sprache und Kommunikation, und wenn ja, wie?
Prompten als Gesprächsform – Boomer dürfen kürzer treten
“Prompt“ bezeichnet in der Dialog-KI den Texteingabe-Befehl, der den Chatbot steuert bzw. “zum Reden bringt”. Dabei müssen Fragen oder Anweisungen an die KI so präzise wie möglich formuliert werden, um passende Antworten zu erhalten. Zu viele Vorgaben und Einschränkungen verwirren den Bot nur; OpenAI warnt sogar vor zu ausschweifenden Befehlen, den sogenannten “Boomer-Prompts”. Das folgende Bild des läuternden, freundlichen älteren Herrns ist übrigens ChatGPTs ironische Idee dazu :)…

Der Begriff Prompt stammt vom lateinischen promptus – „bereit“, „hervorgebracht“ – und verweist auf etwas, das schon zur Antwort bereitliegt. Im Französischen spricht man übrigens bei Prompt auch charmant von invite, also „Einladung“ – und damit sind wir schon bei einer weiteren interessanten Frage: Müssen wir höflich sein mit der KI?
Sprache im KI-Dialog: Wer prägt hier wen?
Die Sprachmodelle der KI, sogenannte Natural Language Processing (NLP)-Modelle, werden mit großen Mengen menschlicher Kommunikationsdaten trainiert. Sie lernen also von uns – und erzeugen auf dieser Grundlage neue Sprache. So spiegeln sie unsere Sprache wider, doch gleichzeitig beeinflussen sie sie auch.
Wer viel mit KI-Systemen arbeitet, entwickelt ganz automatisch ein Gespür dafür, seine Prompts klarer und verständlicher zu formulieren, damit der Dialog mit dem Bot nicht ausufert oder zerfasert.
Aber wie ist das mit der Höflichkeit? Soll ich „bitte“ sagen? Ein „danke“ hinterherschicken? Gebe ich Feedback oder lasse ich es lieber, um den Energieverbrauch nicht unnötig aufzublähen? Immerhin arbeitet hinter jeder Eingabe ein Rechenzentrum, das Strom verbraucht und CO₂ ausstößt. Immer noch frage ich mich bei jeder Kommunikation mit der KI, ob ich angemessen reagiere. Dabei weiß ich: Der KI ist das komplett schnuppe.
Und neulich habe ich mich dabei ertappt, wie ich nonchalant in einer E‑Mail schrieb „Entspricht das so deinen Erwartungen? Oder soll ich noch Alternativvorschläge machen?“ Ein klassisches Chatbot-Muster. Trotz aller Höflichkeit, die meine Kommunikation ohnehin immer trägt, wären mir solche Sätze früher kaum in den Sinn gekommen.
Haltung ohne Ecken und Kanten
Auch das Du ist im KI-Dialog praktisch die Norm. So ändern sich auch die Höflichkeitskonventionen, die wir im analogen Alltag noch sorgsam austarieren. Gedanken zu diesem Thema im Zusammenhang mit der Digitalisierung habe ich mir in meinem Beitrag #gerneperdu gemacht.
Und so hilfreich der KI-Tonfall beim Erfüllen und Optimieren von Aufgaben sein mag – die unerschütterliche Grundhaltung „freundlich und korrekt“ ist auch ganz schön ermüdend. Eine Sprache ohne Ecken und Kanten, ohne Reibung, Persönliches und Ambivalenz. Einerseits lernen wir durch den Bot, uns präziser auszudrücken. Andererseits übernehmen wir vielleicht unbemerkt eine Sprache, die nicht mehr unsere eigene ist.
Je mehr wir mit KI kommunizieren, desto mehr formen wir sie – und sie uns. Klar, die Maschine hat kein echtes „Geschlecht“ und keine eigene Meinung. Doch sie bringt ihre Haltung, ihre Grundeinstellung mit – einen Default, der auf Höflichkeit, Korrektheit und Neutralität basiert. Und mit jedem Prompt fließt auch unsere menschliche Sprache ein – die KI nimmt ein Stück unserer Kommunikationsweise in sich auf.