Bekanntermaßen heißen die Bewohner Indiens ja nicht “Indianer”. Doch andere Länder dieser Erde müssen sprachlich zuweilen Federn lassen, wie mir neulich noch einmal zu Gehör kam: Im Fernsehen gab es eine Reisereportage über die Kapverden; ein guter Überblick über die touristischen Höhepunkte des Inselstaats, der offiziell Cabo Verde heißt. Leider mit einem faden Beigeschmack, weil sich die Redaktion nicht die Mühe gemacht hatte, zu prüfen, wie die Inselbewohner korrekt bezeichnet werden. Alle paar Minuten schallte es konsequent “die Kapverdianer” aus dem TV in meine gequälten sprachsensiblen Ohren, nicht nur vom deutschen Reise-Reporter und dem Off-Sprecher, sondern auch von den interviewten zugewanderten Deutschen vor Ort.
Richtig ist die Bezeichnung Kapverdier. Auch, wenn die Bewohner in der Amtssprache Portugiesisch cabo-verdianos heißen, was zur falschen Endung “ianer” verführen mag. Die Kapverdier teilen ihr Schicksal übrigens mit den Gambiern in Gambia, die nicht “Gambianer” heißen, aber hierzulande fast nur so genannt werden (bzw. die sich sogar oftmals selbst so bezeichnen, dem falschen Gebrauch deutscher Muttersprachler folgend).
Nicht egal — weder gleich noch einerlei
Nun mag es Menschen geben, für die diese Unterscheidungen keine Rolle spielen. Aber ich finde, es ist nicht egal. Denn es geht um Anerkennung – im Großen wie im Kleinen. Wenn wir etwa von “Afrika” als einem Land sprechen oder Länder wie Niger und Nigeria in denselben Topf werfen, dann verkennen wir die Vielfalt und die Geschichte, die hinter jedem Land und seinen Menschen stehen. Und wenn Bezeichnungen für Bewohner einfach aus dem Bauch heraus verwendet werden, ohne die kulturellen und sprachlichen Feinheiten zu berücksichtigen, dann fehlt es einfach an Wertschätzung.
Afrika hat 55 Länder
Bei einem etymologischen Blick auf den Kontinent gibt es allerlei Interessantes zu entdecken.
Schauen wir einmal auf einige afrikanische Staaten, wozu ja auch Cabo Verde geopolitisch gehört. Wie unterscheidet man zum Beispiel sprachlich die Bewohnerinnen von Nigeria und Niger? Die Freunde der “ianer-Endung” kommen bei Nigeria auf ihre Kosten, denn es sind Nigerianerinnen, die in diesem Land leben, im Gegensatz zu den Nigrerinnen im nördlichen Nachbarland. Im Französischen ändert sich gar nur ein Vokal: Nigérien = nigrisch, Nigérian = nigerianisch.
A propos Französisch: Die Einwohner des westafrikanischen Staates Togo heißen übrigens nicht etwa “Togelesen”, wozu womöglich das französische Togolais verführt, sondern Togoer. Französisch kolonisiert waren auch Mauretanien im äußersten Westen Afrikas und der Inselstaat Mauritius ganz im Osten des Kontinents, im Indischen Ozean. Verwechselt werden möchten die Mauritier und Mauretanier (hier verweise ich gerne auf den tollen Film mit Jodie Foster) sicher dennoch nicht.
Glückliche Ivorer & aufrechte Burkinabè
Glücklich schätzen können sich die Einwohner der Elfenbeinküste, die, abgeleitet vom französischen Landesnamen Côte d’Ivoire bzw. dem Adjektiv Ivorien, ganz ohne Murkserei so schön Ivorer und Ivorerinnen heißen. Hier kommt man gar nicht erst in Versuchung, mit “Elfenbeinküstler” oder “Elfenbeinianer” herumzulaborieren, sondern muss im Zweifelsfall wohl nachschlagen. Die Elfenbeinküste zählt, trotz der französischen Amtssprache, übrigens mehr als 60 ethnische Gruppen und Sprachen, darunter Senufo, Malinké, Baoulé, Yacouba und Dioula. Bekannt für ihre erfolgreiche Fußballmannschaft “Éléphants” und eine reiche Musikkultur (Coupé-Décalé), gehört die Côte d’Ivoire zu den dynamischsten Volkswirtschaften Afrikas.
Im Nachbarland Burkina Faso liegt der Begriff Burkiner auch nicht unbedingt auf der Hand, wenngleich der Name Burkinabè dieser amtlichen deutschen Bezeichnung vorgezogen wird. Der Begriff Burkinabè stammt aus der Landessprache Mòoré und bedeutet „Menschen, die aufrecht stehen“ oder „würdevolle Menschen“. Diese Bezeichnung wurde nach der Umbenennung des Landes von Obervolta zu Burkina Faso im Jahr 1984 eingeführt. Um den schönen Klang des Hauptstadtnamens geht es übrigens in meinem Fundstück Quagadougou.
Madagassen, Monegassen & Niederländer
Gehen wir mit Madagaskar, deren Einwohner nicht “Madagasker”, sondern Madagassen heißen (Französisch Malgache) von Afrika nach Europa, zu den Monegassen, wie die Einwohner Monacos genannt werden. Und am anderen Ende des Mittelmeers lassen es sich die Zyprer auf Zypern gutgehen — die Bezeichnung Zypriote oder Zypriotin bezieht sich dagegen vor allem auf die Griechisch sprechenden Bewohner der Insel.
In Holland wohnen Holländer, oder? Also, wir Westfalen würden uns ja nicht ungestraft Bayern nennen lassen. Deshalb ist es schon ein bisschen penetrant, wie wir immer wieder von den Holländern als Nation sprechen, auch wenn damit genau genommen nur die Bewohner der Provinzen Nord- und Süd-Holland umfasst werden. Niederländer bevorzugen den Begriff Nederlander, wenn sie alle Bürger der Niederlande meinen. In offiziellen und formellen Kontexten ist dies der korrekte Begriff.
Wer nachschauen möchte: Hier ist eine Übersicht zu fast allen Länder-Adjektiven.