Gute Markennamen finden

Der, die, das…

Aus meiner Nordstraße ist “Die Nord” geworden. Nicht auf dem Straßenschild, aber im Branding der Werbegemeinschaft dieser Düsseldorfer Einkaufsstraße in Top-B-Lage. Was würden wohl Ernie und Bert zu einem solchen Reframing ihrer ikonischen Sesamstraße sagen?

Sprechen wir also über die ästhetische Verdichtung von Marken durch das Setzen des bestimmten Artikels. Und durch Weglassen. Ein Trend, der sich nicht nur im Stadtmarketing, bei Immobilienprojekten oder in der Quartiersentwicklung zeigt, sondern auch in Hotellerie und Gastronomie.

Branding durch Weglassen

Was hier passiert, ist sprachlich ziemlich raffiniert: Vor den Markennamen wird ein Artikel gesetzt und das Bezugsobjekt – etwa ein Hotel, ein Shop oder ein Lokal – wird ausgelassen bzw. muss mitgedacht werden.

Dieses stilistische Weglassen nennt man Ellipse; ein rhetorisches Stilmittel, das bewusst auf Selbstverständlichkeiten verzichtet. Als Werbestrategie ist das zunächst einmal clever. Denn: Was man sich selbst erschließen muss, merkt man sich besser und macht neugierig.

Das Gerber? Stuttgarter verstehen sofort, was gemeint ist, nämlich das Einkaufszentrum Gerber.

Die Macherei? Kein Bastel-Atelier, sondern der Markenname eines Projektentwicklers für Stadtquartiere.

Das Kranzbach? Kann ja nur ein Hotel sein.

Die Methode Artikel + Ellipse + Markenname

Hier noch ein paar Beispiele aus den Branchen Hotel, Gastro, Shop, in denen diese Konstruktion besonders viel Anwendung findet:

Das Rübezahl – Hotel im Schwangau (interessanter Weise nicht im Riesengebirge).
Das Tegernsee – Diese Herberge liegt, klar, auch in Bayern.
Das Stue – Luxushotel in Berlin (Stue = Dänisch für ‘Wohnzimmer’).
Das Alfreds – Café/Restaurant am Zoopark in Düsseldorf
Der Pschorr – Münchner Wirtshaus am Viktualienmarkt.
Das Innsbruck – Restaurant in der gleichnamigen Stadt.
Die Kaffee — Eine Privatrösterei — gelegen in einer Düsseldorfer Straße, die von “Die Nord” abzweigt 😉…

Wirkung & Nutzen des Artikel-Einsatzes

Die Wirkung ist immer ähnlich: Minimalistisch und dadurch bedeutungsvoll. Und ein bewusst gesetzter Stolperstein: Hä, Die Kaffee? Da stimmt doch was nicht!

Und was ist der werbliche Nutzen?

  • Personifizierung bzw. Objektivierung: Der bestimmte Artikel gibt einem Ort oder Projekt eine Art “persönlichen” oder “eigenständigen” Charakter. Es ist nicht nur irgendein Gebäude, sondern das Gebäude mit dieser spezifischen Identität.
  • Wiedererkennungswert: Namen mit bestimmtem Artikel sind oft prägnanter und leichter zu merken.
  • Exklusivität und Anspruch: Sie vermitteln ein Gefühl von Einzigartigkeit und Hochwertigkeit.
  • Narrativ schaffen: Sie ermöglichen oder unterstützen das Storytelling und kreieren eine emotionale Verbindung zum Ort.

Deutsch kann das

Warum funktioniert dieser Stil gerade im Deutschen so gut? Weil die deutsche Sprache mit bestimmten Artikeln arbeitet, die mehr transportieren als z.B. das einfache The im Englischen. Derdiedas geben einem Namen einen Genus, eine Form – fast schon eine Persönlichkeit.
„Der Spiegel“ und „DIE ZEIT“ (nicht zu verwechseln mit dem – real existierenden – Hotel Das Zeit) tun das seit Jahrzehnten – allerdings noch mit einem grammatisch klar gebundenem Artikel. Neu bei diesem Urban Branding ist, dass der Artikel mehr ist, als nur eine Betonung: Er wird zum ästhetischen Statement.

Und anderswo?

Englisch war stilistisch sogar früher dran: The Plaza, The Ritz, The Savoy – ikonische Hotelnamen, die seit Jahrzehnten (teils seit Jahrhunderten) mit dem bestimmten Artikel arbeiten. The markiert hier nicht bloß einen Namen, sondern macht daraus eine Institution: nicht a hotel, sondern The Hotel..

Doch im Deutschen entfaltet das Setzen der Artikel derdiedas eine zusätzliche Wirkung. Sie geben Namen nicht nur ein grammatisches Geschlecht, sondern, wie oben beschrieben, auch eine Persönlichkeit. Und weil der Artikel im Deutschen vor Eigennamen eher ungebräuchlich ist, wird er selbst zum Statement.

Französisch zeigt stilvolle Beispiele wie La Samaritaine oder Le Bon Marché, eher traditionell als trendy.

Italienisch bleibt zurückhaltend. Artikel sind selten Teil moderner Markennamen.

Der deutsche Artikel ist ein Branding-Baustein mit sprachlicher Tiefe.
Er kann Identität, Verortung und Stil zugleich transportieren.
Das können nicht viele Sprachen.

Von clever zu beliebig

Aber wie bei jedem Trend kommt irgendwann der Punkt, an dem das Spiel zur Masche wird. Wenn jede Neubausiedlung plötzlich „Das XYZ“ heißt – ist das dann noch smart oder schon wieder langweilig? Es kann sogar auch problematisch werden, wenn mit dem so kreierten Markennamen getrickst wird – siehe auch das Beispiel meines Beitrag unter Brand III.

Fazit — als Stilmittel erlaubt?

  • Er macht Marken merkfähiger
  • Er transportiert stilistische Eleganz
  • Er spielt mit Identität und Reduktion

Aber:

  • Zu oft genutzt, wird er zum Stereotyp. Derselbe Effekt bei den Friseurnamen, mit denen man am Ende in der #wortspielhölle landet.

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