Das neue Jahr 2025 kann kommen, gerne mit mehr schönen Vorkommnissen auf der Welt und weniger Krisen. Und auch mit weniger Floskeln wie der inflationäre Gebrauch des Wortes “gerne”.
Immer wieder gerne…
so lautet ein häufig genutzter Kommentar bei (sicher oft gekauften) Internet-Bewertungen von Produkten oder Dienstleistungen. Das klingt zuweilen befremdlich. Denn während es nach einem schönen Restaurantbesuch noch nachvollziehbar ist, dass man “immer wieder gerne” dorthin zurückkehren möchte, stellt sich die Frage: Wie viele teure Betten oder Spezialwerkzeuge gedenken die Bewertenden im Laufe ihres Lebens wohl wirklich wieder und wieder zu erwerben? Gleiches gilt für die trauriger Weise bereits für die Zukunft eingepreisten Besuche bei der Fachärztin, bei der eine positive Erfahrung mit “immer wieder gerne” öffentlich kommentiert wird.

Einfach gerne
Das Wort gerne wird nicht nur inflationär gebraucht, es erfährt auch eine Bedeutungsumwandlung. “Nutzen Sie gerne unseren KI-Assistenten, um Ihre Fragen zu klären”. Ich weiß nicht, ob ich das gerne tue. Aber sicher ist, dass der Anbieter möchte, dass ich das tue, weil er so seine Kundenservice-Teams entlasten kann. “Schicken Sie gerne Ihre Unterlagen, und wir unterbreiten Ihnen ein maßgeschneidertes Angebot”, schreibt die Versicherung, und auch hier ist es ja so, dass sich der Dienstleister meine Initiative wünscht, während sich meine Vorfreude auf das Zusammenstellen der Papiere in Grenzen hält.

Ich gestehe, dass dieses Adverb eine geschmeidige Lösung für die Handlungsaufforderung ist, um den Dialog mit einem Anbieter von Produkten oder Dienstleistungen zu initiieren. Ein “Schreiben Sie mir gerne”, könnte man allenfalls durch ein expliziteres, aber umständlicheres “Ich freue mich, von Ihnen zu hören, falls Sie weitere Informationen benötigen” oder ein etwas anbiederndes “Melden Sie sich, wenn ich Ihnen weiterhelfen kann” ersetzen. Aber am Ende, da sind wir uns vermutlich einig, handelt es sich ja ohnehin nur um eine Floskel. Weiterführende Gedanken zum Thema “gerne” finden Sie auch im Beitrag #GerneperDu.
Sehr gerne
Sicher werden sprachliche Gepflogenheiten oft einfach nur unkritisch übernommen. Manch einem mag es aber auch gefallen, mit dem vielen Gerne den eigenen Großmut oder die eigene Bedeutung zu betonen. Besonders in der gesteigerten Form, wenn eigentlich sehr selbstverständliche Dinge “sehr gerne” getan werden.
Dabei kann es sich um einen servierten Cappuccino im Café handeln, wo ein artiges “Danke” mit einem selbstbewusst posaunten “Sehr gerne” erschlagen wird. Oder neulich, da hat eine Influencerin in einer TV-Doku Raum für ein Interview bekommen. In diesem Rahmen wird sie gebeten, Platz zu nehmen, was sie, durchdrungen von der eigenen Bedeutsamkeit, kraftvoll und mit strahlendem Blick in die Kamera mit “sehr gerne” kommentiert. Seit wann ist Platznehmen eine besonders freiwillige oder großzügige Handlung und nicht nur eine ganz normale Reaktion auf eine höfliche Aufforderung?
Am gernsten
bzw. gern haben können mich aber die, für die alles “kein Problem” ist. Die Bitte im Café an den Herrn am Nachbartisch, die Zuckerdose kurz rüberzureichen? “Kein Problem!” “Entschuldigung, kann ich kurz vorbei”? frage ich in der U‑Bahn. “Kein Problem” lautet die Antwort, als wäre der Tritt beseite eine bemerkenswerte Herausforderung. Oder die Bitte aus der Umkleidekabine an das Verkaufspersonal, eine andere Größe zu bringen, das “kein Problem” und nicht etwa eine Selbstverständlichkeit ist.

Kein Problem –
… zwei negative Worte, die mich schlecht fühlen lassen, weil ich zur Verursacherin eines Problems gemacht werde, wo keines ist. Es klingt abwehrend und schafft Distanz, wo eine zuvorkommende Servicehaltung oder einfach nur zwischenmenschliche Achtsamkeit zu erwarten wären. Wie wäre es mit “natürlich“, “selbstverständlich“, “ich kümmere mich darum“ oder einfach einem freundlichen „Ja, klar“? Auch das ziemlich aus der Mode gekommene “keine Ursache” signalisiert charmant, dass eine Handlung so selbstverständlich war, dass sie eigentlich keiner Erwähnung mehr wert war. Unsere Sprache hält jedenfalls viele Optionen für angemessene Reaktionen in derlei Situationen bereit.
Kommen Sie gut ins Neue Jahr!
Und, falls Ihnen mein Beitrag hier Freude bereitet hat – den habe ich wirklich gerne geschrieben 😄!
PS: Mein Beitragsbild zeigt übrigens das Wort “gerne” in einer sogenannten Fallblattanzeige. Der Gegenstand ist ein schönes Relikt aus analogen Zeiten, mit dem per Knopfdruck überholte Wörter oder Zahlen verschwanden und neue aufgeblättert wurden — begleitet vom typisch ratternden Geräusch.