Balanceakt

Heutzutage wird auf allen Kanälen um die Aufmerksamkeit von Nutzerinnen und Lesern gebuhlt. Daher sollten im Marketing jedes Wort wohlüberlegt und die Texte ausgewogen komponiert sein, um die beabsichtigte Wirkung der Botschaften bei den Empfängern zu erzielen.

Dies gilt auch für den automatisierten Kundenservice von Unternehmen. Da hier die Texte oft Millionen Individuen erreichen und die Zielgruppe meist sehr heterogen ist, ist die Dialoggestaltung sicher eine besondere Herausforderung. Alle sollen mit den richtigen — und tendenziell immer persönlicheren — Worten abgeholt werden.

Überkompensation

Manch automatisiert verschickter Text aus dem Kundenservice schießt jedoch bei der persönlichen Ansprache ein wenig über das Ziel hinaus. So diese E-Mail-Antwort, die mich just aus dem Servicecenter eines bekannten Versandhändlers auf meine Bitte um eine Rechnung mit Ausweis der MwSt erreichte: "Hallo Frau Weller, sehr gern bin ich für Sie da. Die Rechnung R-DE-123445690-2023-1209188 finden Sie gleich im Anhang. Schön, dass ich das für Sie erledigen konnte, liebe Frau Weller. Ich wünsche einen gemütlichen Abend. Viele Grüße schickt Andreas aus dem Service-Team.“

Highlight Rechnungsnummer

Am schönsten finde ich in diesem Stück Prosa die augenfällige Rechnungsnummer. Mit 27 Stellen toppt sie sogar die IBAN (22 Stellen) und hat das Potenzial, alle einschmeichelnden Worte der Zeilen zunichte zu machen. Vielleicht ist eine Rechnungsnummer hierzulande einfach ein zu heilig Ding, um sie einer Marketingphrase zu opfern. "Die Rechnung für Ihren Drucker XY, eine erstklassige Wahl übrigens, liebe Frau Weller, finden Sie gleich im Anhang" — so würde man doch seine Rechnung viel lieber bezahlen, oder?

Gemütlicher Abend? What?

Es sei gesagt, dass ich schon lange Kundin dieses Versandhändlers und immer sehr zufrieden mit dessen Service bin. Gute Erreichbarkeit, schnelle Antwortzeiten und Auslieferung — ich weiß schon aus Erfahrung, dass man gern für mich da ist und die Dinge zuverlässig für mich erledigt; kurzum, dass guter Kundenservice nicht nur ein leeres Versprechen ist. Diese Leistung ohne Not mit Floskeln, gar Selbstlob, zu inszenieren, macht die eigentlich gute Service-Erfahrung irgendwie schal. Dazu zählt auch das nachgeschobene "liebe Frau Weller", worauf ich in diesem schnöden Kontext gut verzichten kann. Vor allem aber der von "Andreas" übermittelte Wunsch nach einem "gemütlichen Abend" mutet nahezu übergriffig an: Wenn der wüßte, was gerade los ist in meiner Bude!

Lust auf wirksame Kommunikation? Nehmen Sie mich beim Wort! Ich liebe knifflige Aufgabenstellungen!